Montag, 2. November 2009

Abschlussbericht zum EXIST-Gründerstipendium

Ein Jahr ist schnell vergangen und damit auch die EXIST-Förderung. Genauer genommen waren es faktisch elf Monate, da ich im November letzten Jahres noch als Angestellter tätig war. Hiermit möchte ich nun einen Abschlussbericht über diese 11 Monate geben und fest halten, was erreicht wurde, was nicht, wie es weiter geht, wo aus meiner Sicht Probleme gegeben hat und welche Fehler ich/wir gemacht haben.

Um schon mal eine kurze Zusammenfassung zu geben: Ich/wir haben unsere Ziele nicht erreicht, wir haben unser Produkt nicht rechtzeitig fertig stellen können, wir haben keine Anschlussfinanzierung gefunden und ich muss nun freiberuflich in Fremdprojekten aushelfen um mein Lebensunterhalt in den nächsten sechs bis neun Monate zu sichern. Dennoch wird unser Vorhaben damit nicht sterben: letzte Woche hatte ich einen Notartermin, heute wieder und das Ergebnis wird eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft sein, unter deren Dach an jterms unter einem neuen Namen weiter gearbeitet wird. Wir haben noch sehr viel vor!

Und nun etwas ausführlicher zu uns, EXIST, Coaching, Hochschule Darmstadt, „Gründernetzwerk“ und weiteren verwandten Themen.

EXIST-Gründerstipendium, Hochschule Darmstadt und das „Gründernetzwerk“

Dadurch, dass ich der erste EXIST-Stipendiat an der Hochschule Darmstadt war, musste ich die ganze Wucht der Unstimmigkeiten und Ahnungslosigkeit der Verantwortlichen spüren. Das hat sich in einer ganzen Reihe von eher negativen Auswirkungen widergespiegelt, die die eigentliche unternehmerische Tätigkeit sehr stark beeinträchtigt hat. Z.B.

  • Antragsstellung (niemand hatte Ahnung davon, musste den Antrag alleine vorbereiten und abgabefertig abgeben, er musste nur nach Berlin geschickt werden)

  • Ahnungslosigkeit in der Finanzabteilung der Hochschule, wie das Geld verbucht, angefordert und ausgezahlt wird.

  • Verzögerungen in der Mittelauszahlung, die im Zeitraum von einem bis zu vier Monaten lagen.

  • Fehlendes „Gründernetzwerk“: Als Gründernetzwerk wurde das Kompetenznetz Darmstadt Rhein Main Neckar anerkannt, hat aber praktisch aufgrund fehlender Gründer, fehlenden regelmäßigen Wissensaustauschs nichts gebracht.

  • Fehlender Pool an Coaches: Durch die erheblichen Verzögerungen in der Abarbeitung der Zusage, durch die strickten Zeitvorgaben bei EXIST, aber auch durch den fehlenden Pool der Coaches musste ich einen Coach nehmen (Mitglied des Kompetenznetzs) mit dem ich im großen und ganzen nicht zufrieden bin. Leider muss ich auch sagen, dass etwas mehr als die 5.000 Euro die fürs Coaching und die Beratung vorgesehen waren, ohne einen richtig greifbaren Ergebnis verpufft wurden. Dazu aber ein Extra-Abschnitt.

  • Konkurrenzsituation zw. Hochschule Darmstadt und TU Darmstadt und Weigerung die Bemühungen in der Gründerförderung zu vereinigen: TU ist schon seit längerer Zeit im EXIST-Netwerk und hatte schon mehrere Stipendiaten. Alle die oben aufgeführten Probleme müssen nicht auftreten, wenn man praktisch ein Paar Haltestellen von einander entfernt ist und eine Kooperation und gemeinsame Kraft in eine Richtung beschließt und umsetzt. Kein Wunder, dass es hier bei uns mit den Gründern eher dürftig im Gegensatz zu München ist: dort ist eine einzige Anlaufstelle bei der LMU eingerichtet für alle Hochschulen und Universitäten in München! Wenn bei uns sowas praktiziert würde (Gemeinsames Gründernetzwerk, gemeinsamer Pool an Coaches, Austausch), bin ich mir sicher, Darmstadt, oder auch die Region Rhein Main im Allgemeinen hätte auch eine bessere Positionierung im „EXIST-Ranking“, als sie heute ist (kann leider in Moment die Statistik nicht finden, kann mich aber Erinnern, dass Darmstadt irgendwo im letzten Drittel des Mittelfeldes war).


So muss ich noch mal konstatieren: es findet kein organisiertes Austausch zw. den Stipendiaten, man kann für sich keinen wirklichen passenden Coach auswählen, man wird „gebremst“ durch das fehlendes Know How und Klärung der trivialsten Fragen, die jeder für sich aufs neue entdecken darf.

EXIST-Gründerstipendium, Finanzamt und Krankenversicherung

Wegen dem fehlenden Know How und fehlendem Austausch wurde sehr viel Zeit verpufft in Klärung der steuerlichen Fragen, Beitragsberechnung der Krankenversicherung (sehr, sehr heikles Thema, welches sehr viel Zeit und Kraft gekostet hat, habe darüber ausführlich berichtet). Man hätte alles besser und schneller machen können, wäre doch die Vernetzung zw. H-Da und TU besser und wäre ein funktionierendes Gründernetzwerk mit entsprechendem Erfahrungsschatz vorhanden.

Coaching

Ich habe mit der Firma Succeed gearbeitet, weil es zum damaligen Zeitpunkt die einzige Möglichkeit gewesen ist. Schon im Vorfeld der Succeed-Beauftragung war ich und mein Partner am Zweifeln, ob Succeed die nötigen Voraussetzung mitbringt, um einem Technologie-orientierten, „Sicherheitslosen“ Software&Service-Vorhaben mit großen Ambitionen wirklich weiter helfen zu können. Leider haben sich unser Zweifel bestätigt. Nichts gegen das fachliche Können des Coaches, es ist solide gegeben, dennoch, meiner Meinung nach, hat der Fokus des Coaches (eher bodenständige Kleinunternehmen, Industriefirmen, Mittelstand), sowie sein Netzwerk uns nicht weiter gebracht.

Das Ziel der Zusammenarbeit mit ihm war nicht nur das Review des Businessplans/Hilfestellung bei der Erstellung, sondern auch einen passenden Finanzierungsmix auszuarbeiten und realisieren. Mir war es klar, dass die Banken, bzw. die KfW-Kredite für das Vorhaben nicht zu realisieren sind, eben wegen fehlenden Sicherheiten, auch die Bürgschaftsbank würde für unser Wagnis nicht bürgen. Das war schon mal der falsche Weg, viel schlimmer war es jedoch, dass der Coach sogut wie keine Kontakte in Wagnisfinanzierungskreisen hatte (BA, VC usw.) und nicht gezielt vermitteln konnte.

Realisierung der angepeilten Ziele, Fehler

Vielleicht der größte Fehler: ich habe mich alleine um das EXIST-Gründerstipendium beworben. Zu zweit oder zu dritt wäre es viel besser gewesen. Zum Glück habe ich dennoch jemanden gefunden, der in seiner Freizeit sehr viel Unterstützung geleistet hat.

Ferner haben wir einiges falsch gemacht, bzw. die eigene Entwicklungsgeschwindigkeit weit überschätzt. So mussten wir einige eigene Komponenten „neu“ entwickeln, die es auf der technologischen Basis, auf der wir die jterms Plattform aufsetzen, nicht gab. Es gab eine Komplexität, die wir nicht in dem Maße vorausgesehen haben, die uns dann erwischt hat. Bis diese Komponenten soweit nutzbar geworden sind, ist es sehr viel Zeit verstrichen. Der einzige Trost ist dabei, das wir diese Komponenten nun immer wieder in unseren Produkten verwenden können.

Zum anderen aber haben wir von Anfang an eine falsche Vorgehensweise gewählt: in der ersten Hälfte der EXIST-Förderung haben wir uns eher auf die Finanzierung konzentriert (im Verhältnis 80:20, dazu kommt noch, die Klärung einiger anderen Fragen, wie z.B. der Krankenkasse), damit wir mit genügend Vorlauf die Finanzierung vor dem Ablauf des EXIST klären. Bis wir schließlich verstanden haben, dass es kein Sinn macht, sich so intensiv mit der Finanzierung zu beschäftigen. Wir haben erkannt, dass wir enorme Schwierigkeiten haben, unsere Plattform als Produkt zu erklären, aber auch, dass die Finanzierungsformen, die sich „Venture“ nennen, für uns einfach noch zu früh sind.

Nach dieser Erkenntis haben wir nun aktive Bemühungen um die Finanzierung gelassen und uns auf die Produktentwicklung konzentriert. Dennoch haben wir uns als Test bei Business Angels in Frankfurt, EXIST-Venture, bei Zentec um die Teilnahme an den Matching-Veranstaltungen beworben. Bei den BAs in Frankfurt und EXIST-Venture waren wir erfolglos und bei Zentec dagegen erfolgreich.

Trotz der Verspätung glauben wir, dass wir nun bald die ersten öffentlichen Versuche mit unserer Plattform starten können!

Gründung

Wie oben schon erwähnt, es wird mit einiger Verspätung eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft gegründet. Die Verspätung resultiert aus der Tatsache, dass wir einen passenden Unternehmensnamen und Gesellschafter gesucht haben. Der Anfangs favorisierte Name wurde durch eine ähnlich klingende eingetragene Marke in gleichen Nizza-Klassen verworfen, bis der neue Name gefunden wurde hat auch etwas Zeit gebraucht.

Fazit

Ich glaube, es ist trotzdem gut, wie es gekommen ist. So bleiben wir noch länger unabhängig, und können uns in Ruhe weiter voran bringen. Durch meine „Auszeit“ in freiberuflicher Tätigkeit natürlich nicht in der gewünschten Intensität, aber dennoch es gibt sehr viele Chancen, die genutzt werden können! Außerdem durch etwas Abstand und Review können neue Ideen entstehen.

Würde ich das noch mal machen? Eindeutig JA. Und EXIST empfinde ich als ein super Programm, um seine Erfolgschancen zu erhöhen würde ich jedoch ernsthaft über einen Umzug nach München, wegen eben sehr starken Vernetzung dort, nachdenken...

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wow! Von Exister zu Exister: Du hast exakt unsere Gründergeschichte nacherzählt *hihi und staun*

Anonym hat gesagt…

Die Förderphase von 12 Monaten ist eindeutig zu kurz.

Es gibt drei Dinge die man in derzeit fertig machen muss:

1. Produkt
2. Businessplan
3. Anschlussfinanzierung

Wenn eines davon nicht steht, dann fällt alles in sich zusammen wie ein Kartenhaus...und 12 Monat ist für alle drei Punkte einfach zu viel.

Mein Fazit des EXIST-Gründerstipendium:

EXIST ist ungefähr so wie als wollte man von München nach Berlin mit dem Auto fahren, aber man bekommt nur Sprit bis nach Frankfurt...ob man ankommt ist sehr fraglich!

Nikolai Raitsev hat gesagt…

Mich freut es natürlich, dass der Bericht ziemlich oft gelesen wird.

Zum zweiten Kommentar (Du meinst wohl, dass die 12 Monate zu wenig sind...):

Ich bin der Meinung, dass das Exist-Stipendium an sich eine sehr sehr gute Sache ist. Um seine Erfolgschancen zu erhöhen und die von Dir genannten drei Punkte zu erfüllen muss man in Team von mindestens drei Personen von Anfang an sehr fokussiert (d.h. man muss im Prinzip erfahren sein, und nicht mit Nebensachen und Experimenten die richtige Richtung "aufspüren") an mehreren "Fronten" gleichzeitig arbeiten. Daher, denke ich, zu dritt und im richtigen Umfeld kann man mit Exist sehr wohl einiges Erreichen.

Bei mir zumindest ist das Thema noch nicht zu Ende...

Anonym hat gesagt…

Ganz toller Bericht! Habe sehr ähnliche Storys auch schon gehört und teilweise miterlebt. Schön das sich mal jemand die Zeit nimmt und das ganze in Textform pupliziert. Weiter so!